Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle bereits einen recht emotionalen Text zu den Entwicklungen in der italienischen Politik verfasst. Die beste Diskussion hatte ich daraufhin mit einem Mitglied/Beweger aus NRW (Markus, wenn Du mitliest: Die Kiste Wein ist Dein!). Es drehte sich um die Frage: Welche Koalitionen lassen sich mit dem Wahlausgang bilden und welche Parteien werden überhaupt miteinander sprechen können? Wird Di Maio oder doch Berlusconi in der neuen Regierung eine Rolle spielen? Wird Italien für Europa zu einem Problem werden und hat die Bewegung Cinque Stelle überhaupt das Zeug dazu, eine Regierung zu bilden und wenn ja mit wem?
In den letzten Wochen gab es ein Horrorszenario nach dem nächsten. Die Entscheidung der Fünf-Sterne-Bewegung, mit der fremdenfeindlichen, nationalistischen Lega Nord eine Koalition zu bilden, war dabei die denkbar schlimmste, die ich mir ausgemalt hatte. Die Lega hatte sich sogar von Berlusconis Forza gelöst, nur um regieren zu können. Mit nur 17 % der Stimmen hatten sie definitiv weniger Spielraum als die Sterne mit 30 %.
Wie konnte es kommen, dass diese beiden, doch eigentlich inhaltlich so weit voneinander entfernten Parteien, ein Bündnis miteinander schließen? Kann tatsächlich der Wunsch, die Europäische Union zu zerstören, diese riesigen Gräben überwinden? Zwei populistische Parteien, deren einziges verbindendes Ziel es ist, nicht so weiterzumachen wie bisher? Okay, die Einen womöglich sogar aus dem gut gemeinten Willen, die EU zu demokratisieren, die Anderen allerdings aus genau dem gegenteiligen Grund, nämlich wieder zurück in ein gefährliches protektionistisches, nationalistisches System zu verfallen – frei nach Trump: „Italy First”.
Gerne hätte ich bei diesen Koalitionsverhandlungen Mäuschen gespielt. Vermutlich hat man sich nur ums Wesentliche gekümmert: Wie bekomme ich meine Wahlversprechen in den Koalitionsvertrag? Aber hey, bekommst du das BGE, bekomme ich die Steuersenkung – für mehr hat es dann sowieso nicht mehr gereicht. Dann sah es aufgrund der Entscheidung des italienischen Präsidenten, einen der vorgesehenen Minister nicht zu bestätigen, so aus, als komme die Regierung nicht zustande. Ganze ehrlich: Ich war froh, dass dieser Kelch an uns vorüber zu gehen schien.
Aber dann kam es doch wieder anders, und wir müssen wohl erstmal mit dieser unseligen Koalition leben. Wer weiß, vielleicht ist es auch die bessere Variante im Vergleich zu Neuwahlen. Die Prognosen hatten nämlich für Neuwahlen ein noch stärkeres Abschneiden der Lega prognostiziert.
Fakt ist, dass Italien die EU weiter an seine Belastbarkeitsgrenze bringen wird, wirtschaftlich, emotional, ganz grundsätzlich. Es steht zu befürchten, dass bei all dem außen- und innenpolitischen Wirrwarr verloren geht, um was es eigentlich geht: Freiheit, Demokratie und Frieden! Und in dieser Verantwortung stehen wir!
Daher müssen wir schnellstens mit allen pro-europäischen Organisationen gemeinsam eine Strategie entwickeln, um dem entgegenzuwirken. Natürlich brauchen wir dazu eine gesamteuropäische Öffentlichkeit. Solange sich alle gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben – Deutschland mit seiner Austeritätspolitik ist allein Schuld an der italienischen Misere oder andersherum – schauen die Deutschen eher skeptisch auf die vermeintlichen Schuldenmacher aus dem Süden.
Über die Lösung dieses Konflikts streiten sich die Ökonom*innen. Was wir am allernötigsten brauchen ist eine unaufgeregte Debatte in der Öffentlichkeit. Wir müssen es schaffen, die Debatte zu deeskalieren und die Stimmung zwischen den Menschen wieder zu beruhigen. Nur dann können wir gemeinsam gute Lösungen finden.
Gerade gestern habe ich wieder mit einer Freundin aus Apulien gesprochen. Sie meinte: „Wir dürfen nicht alles glauben, was wir in den Medien zu hören und zu lesen bekommen.” Medien sind überwiegend national geprägt. Jeder bekommt eine andere, jeweils lokale Information präsentiert. Klar, es gibt nicht DIE WAHRHEIT, aber es ist schon sehr auffällig, wenn man sich in beiden Sphären aufhält, wie wenig Übereinstimmung in der Berichterstattung in Italien und in Deutschland herrscht.
Daher fordern wir einen sofortigen europaweiten Informationskanal im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, noch vor der Europawahl. Die DiB-Initiative #188 dazu wurde von den Beweger*innen mit 78 % befürwortet. Am 15.6.2018 werden wir im Europäischen Haus, Unter den Linden 78 (der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland), in einer großen Runde mit Expert*innen darüber diskutieren, wie diese Forderung am besten und schnellsten umgesetzt werden kann.
Je mehr Hintergrundinformationen alle Europäer*innen vor den Europawahlen bekommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Verständnis und Empathie wieder füreinander aufgebracht werden. Noch ist Zeit für Reformen, allerdings nicht mehr viel. Damit das gemeinsame Haus Europa noch lange steht!
Hier die Einladung mit Anmeldung – ACHTUNG Einlass nur mit gültigem Ausweis.
Wir freuen uns auf Euch – A presto!