„Inklusion, eine Schule für Alle“
Inklusion ist viel mehr als gemeinsames Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schüler*innen. Inklusion ist eine Vision, die allen Kindern gerecht wird. Inklusion ist die Vision, die umsetzbar ist. Wir als Gesellschaft müssen uns nur trauen, den Unterricht und die Rolle von Pädagog*innen zu verändern. Wir müssen es unterstützen, wir müssen es wollen.
Alle reden von Inklusion. Begriffsklärung
Der Begriff kam in den 70er Jahren im angloamerikanischen Sprachraum zum ersten Mal auf. Danach hat ihn die UNO übernommen. Seit inzwischen fünfzehn Jahren sprechen wir auch in Deutschland von und über Inklusion. Die Idee ist ein in die Zukunft gerichtetes Weiterdenken von Integration. Damals stellte man fest, dass Integration, quasi das Hereinnehmen von Andersartigen in Gruppen, zwar eine Verbesserung des Einzelnen und des Systems bringt. Das allein genügt jedoch nicht. Stattdessen sollte Lernen grundsätzlich neu gedacht werden. Wir brauchen ein Lernen ohne die die Beschränkung und Schranken wie sie der Spruch „Das lernst du erst später“ deutlich macht. Inklusion ist sowohl eine Vision, aber auch die Beschreibung eines Weges zur Verwirklichung dieser Vision.
Das Ziel
Inklusion bedeutet, allen Kindern gerecht zu werden. Die (Aus-)Sortierung von Heranwachsenden wird beendet. Kinder mit Beeinträchtigungen, Behinderungen und besonderen Begabungen lernen in ihrer Vielfalt gemeinsam an einer Schule. Es geht nicht nur um Wissen, Können, Leistung oder soziales Lernen. Wir wollen auch eine produktive Mischung aus allem.
Wir müssen Schulen zu lernenden Organisationen ausgestalten, um allen Kindern gerecht zu werden. Schulen müssen Fragen wie „Werden die leistungsfähigeren Kinder nicht in ihrer Entwicklung gehemmt?“ aus ihrer täglichen Arbeit heraus positiv beantworten.
Studien belegen längst, dass besonders leistungsfähige Kinder durch immer Gleiches unterfordert werden. Kinder mit Beeinträchtigungen lernen deutlich besser an einer inklusiven Schule als an einer Sonderschule. Studien zeigen, dass sie in kleinen Gruppen an Sonderschulen nicht ausreichend gefördert werden, wie es an einer gemeinsamen, inklusiven Schule für alle möglich ist.
Inklusion gelingt
Wir müssen lernen, dass Inklusion mehr als eine Vision ist. Es ist auch eine gesellschaftliche Haltungsfrage in komplett anderen Dimensionen. Die Verschiedenartigkeit von Menschen, ihre Vielfalt, nimmt Inklusion positiv auf. Alle Kinder und Jugendlichen sind grundsätzlich gleichwertige Mitglieder einer in welchem Fach auch immer zu unterrichtenden Gruppe.
Die Aufspaltung in Behinderung, Gefährdung oder Benachteiligung auf der einen und durchschnittliche Begabung, Hochbegabung, Höchstbegabung oder auch Inselbegabung auf der anderen wird beendet.
Das alles sind nur sortierende Etiketten, die zur Aussortierung führen. Wenn man Inklusion vollständig verwirklicht, fällt diese Politik der Auslese weg. Schlussendlich entfällt durch dieses neue Denken auch jede Diskriminierung. Das ist zunächst eine Vision. Es ist auch eine wunderbare Herausforderung. Mit Ganztagsschulen, die wir als kleine Spiegelung der Gesellschaft einrichten, wird die Umsetzung möglich.
Blick ins Praktische
In den einzelnen Bundesländern zeigt sich, dass es bereits ganz unterschiedliche Ausprägungen von inklusiver Bildung gibt. Deutlich wird dabei immer das gemeinsame Verantwortung für Bildung sehr wichtig ist. Lehrkräfte, Schüler*innen, Eltern, das Gemeinwesen und der soziale Nahraum müssen bei der Gestaltung von Schule einbezogen werden. Wir müssen lernen Heterogenität positiv zu sehen und in die Neugestaltung aller Bildungspläne einbeziehen.
Schulen und Verschiedenartigkeit (Heterogenität)
Schulen müssen durch Nutzung neuer Mechanismen Inklusion unterstützen und möglich machen. Individuelle Entwicklungsgespräche, Kompetenzraster oder auch learning stories sind hier nur eine kleine Auswahl an Methoden.
Dazu kommt eine lernbegleitende Diagnostik an allen Schulen zum Einsatz. Dadurch werden Entwicklungsprozesse abgebildet. Lehrkräfte und alle anderen Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen arbeiten damit. Schulen lernen in ihrer Gesamtheit voneinander. Das wird durch eine Vernetzung von lernenden Schulen ermöglicht. Sie arbeiten gemeinsam an ihrer Entwicklung und einer fortlaufenden Veränderung und Anpassung pädagogischer Prozesse.
Inklusive Bildung bedeutet Veränderung der Schule insgesamt
Unterricht und Schule wird somit vollständig neu gedacht. Die Veränderung erfolgt in zeitlicher, inhaltlicher als auch sozialer Dimension.
Die Rolle der Lehrkräfte
Lehrer*innen tragen die Veränderungen mit Hilfe von Weiterbildungsmaßnahmen und fortlaufender, berufsbegleitender Weiterbildung mit. Mit der Umsetzung von Inklusion in den Schulen geht auch ein neuer pädagogischer Ansatz im Studium und in der Referendariatsausbildung einher. Genauso brauchen wir für ein Gelingen schulischer Inklusion die Sozialpädagoginnen und Schulbegleiter*innen, die aktuell weitgehend in Förder- und Sonderschulen tätig sind. Ihre Arbeit wird sich mit dem neuen Schwerpunkt Inklusion deutlich verändern.
Pädagogischer Ansatz
In inklusiven Schulen tätiges Personal muss deutlich mehr Verantwortung übernehmen für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Feste Pläne oder Arbeitsblättervorgaben werden durch einen individualisierten pädagogischen Ansatz ersetzt. Lehrer*innen müssen wieder individuell Arbeiten weil sie eine heterogene Gruppe vor sich haben. Inklusion bedeutet vor allem Lernen ohne Gleichschritt. Das gesamte pädagogische Personal muss sich schwerpunktmäßig auf Gruppenbildung und gruppendynamische Strukturen konzentrieren. Wir setzen auf Kleingruppen und partnerschaftliche Arbeit, auf Stations- und Projektarbeit. Vieles davon ist nicht neu, es wird in der Praxis von vielen Ganztagsschulen schon erfolgreich eingesetzt. Unterstützung bekommen Lehrer*innen von ihrer Schulleitung, von Sozialpädagog*innen und aus dem sozialen Umfeld.
Für die Veränderung zu einer inklusiven Schule müssen wir uns für eine gesamtgesellschaftliche Bewusstseinsänderung einsetzen.