Wenn wir von Inklusion sprechen, ist auch immer von Teilhabe die Rede. Damit ist gemeint, dass behinderte Menschen im vollen Umfang, wie auch nicht-behinderte Personen, Zugang zu allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens erhalten. Wir müssen bei der Gestaltung von Gesellschaft und Politik eine aktiv gestaltende Rolle übernehmen können. Nur dann wird sich echte Teilhabe, ein echtes Teilsein, entwickeln.
In Kinos, Theatern, Hörsälen, bei der Deutschen Bahn oder in manchen Arztpraxen gibt es Rollstuhlplätze, die uns zugewiesen sind. Die Tagesschau-Ausgabe auf Phönix wird mit Laut- und Gebärdensprache angeboten; bei manchen Inhalten gibt es eine Audiodeskription.
Ist das aber wirklich schon Inklusion?
Eindeutig nicht. Bisher sind wir gerade mal bei einer teilweisen Integration angekommen.
In Wirklichkeit macht die Mehrheitsgesellschaft der scheinbar marginalen Gruppe behinderter Menschen ein wenig Platz. Sind wir wirklich so wenige?
Fakt ist: In Deutschland leben rund 8 Mio. behinderte Menschen, also gut 10% der Gesamtbevölkerung, die nach wie vor im Alltag massiv benachteiligt werden.
Behinderte werden durch bauliche und/oder strukturelle Barrieren benachteiligt, zum Verzicht genötigt, in Exotenrollen gedrängt und somit von echter Teilhabe ausgeschlossen.
Der gegenwärtige Zustand der „gelegentlichen Integration“ ist mit dem Inklusionsgedanke der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar. Die UN-BRK verlangt Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Mitbestimmung und selbstbestimmte Teilhabe.
Das bedeutet den weitgehenden Abbau aller Barrieren, um behinderten Menschen die gleichen Zugangsmöglichkeiten und Platzoptionen wie Nicht-Behinderten zu gewähren: ob im Zug, im Konzertsaal, in Restaurants, Geschäften, auf Straßen und Plätzen, in allen Medien oder auch in jedem Schwimmbad. Tatsächlich dabei und mittendrin sein können, überall und mit allen anderen.
Achtlos wird übersehen, dass behinderte Menschen eine Bereicherung sind und ihren Beitrag leisten wollen. Ob als Schauspielerinnen, Lehrende, Expertinnen in Diskussionen oder Entscheidungstragende in der Chefetage oder als Ärzt bzw. Ärztin, Wissenschaftlerinnen oder auch Juristinnen. Die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben, zur Entwicklung und Wertschöpfung liefern (können), steht hartnäckig im Widerspruch zum weitverbreiteten Vorurteil, dass behindertes Leben defizitär sei.
Wir warten seit dem 24.2.2009 auf die Umsetzung der UN-BRK, die hier in Deutschland praktisch kaum vorankommt. Selbst deren überfällige juristische Umsetzung allein führt nicht zu Fortschritten im Bereich der Inklusion. Erhärtete Strukturen sowie wirtschaftliche und politische Interessen bestimmter Akteur*innen sind Faktoren, die zur Aufrechterhaltung des Status quo beitragen. Die gesetzliche Umsetzung der UN-BRK ist enorm wichtig und unumgänglich, denn sie schafft die Grundlage für inklusives Handeln und Teilhabe. Aber sie allein reicht eben nicht aus, denn sie muss auch Beachtung finden.
Aus Sicht von DiB muss sich die Gesellschaft und die Kultur für Menschen mit Behinderungen mit einer Einstellung der Selbstverständlichkeit öffnen. Behinderte Menschen sind keine „Störfälle“, für die notdürftige Inklusionslösungen lästigerweise bereitgestellt werden müssen.
Das Wesen der wahren Demokratie besteht im Kern auch aus dem Diskriminierungsverbot, also dem Minderheitenschutz und deren Chancengleichheit. Deswegen sind Menschen mit Behinderung eben keine Bittsteller, sondern gleichberechtigter Teil der Gesamtgesellschaft in der sie leben und wirken.
Es gibt zahlreiche gut ausgebildete Menschen mit Behinderung, die zur Verringerung der Personallücke auf dem Arbeitsmarkt beitragen können, wenn sie die Möglichkeit erhalten würden. Auch in andern Bereichen können diese besonderen Menschen mit erstaunlichen Fähigkeiten, die nicht selten durch besondere Lebensumstände erworben wurden, bereichernden und inspirierenden Input leisten.
Deshalb setzt sich DiB für Inklusion ein, deren Ziel die vollkommene Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einer Gemeinschaft leben die nicht zwischen „Denen“, „Den Anderen“ und „Den Ganz Anderen“ trennt, sondern mit Respekt vor der Würde und der Individualität Menschen vereint.