Nachdem Donald Trump schon sehr früh offen Versuche startete, den USA einen Impfstoff gegen Corona zu sichern, schlugen die EU und auch Deutschland offenbar den gleichen Weg ein. Noch drang nicht an die Öffentlichkeit, wie genau die Impfdosen dann verteilt werden sollen, aber es stellt sich (mindestens) eine wichtige Frage: Impfstoff zuerst für Deutsche?
Kürzlich wurde viel über Rassismus und Nationalismus diskutiert, gerade auch am Rande des EU-Gipfels im Juli 2020 in Brüssel, bei dem es ja auch und vor allem um nationale Interessen ging. Die EU verkommt zu einer Sammlung von Einzelstaatsinteressen. Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei.
Wie soll die Verteilung des Impfstoffes denn aussehen, den sich die Bundesregierung wohl gesichert haben soll? Der wird wohl kaum auch außerhalb der deutschen Staatsgrenzen verteilt werden? Genauso wenig ist vorstellbar, dass die EU sich den Impfstoff sichert, um ihn dann nach Afrika, Südamerika oder Asien zu fliegen und dort Menschen kostenlos zu impfen. Wie steht man dann vor den einheimischen rechtspopulistischen Parteien da, die man doch gerne kleinhalten würde?
Es gibt ohnehin einige gute Gründe gegen dieses Vorgehen. So sichern sich die Staaten und Staatenbünde Impfstoffe von bestimmten Firmen. Das muss sehr weise sein, denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listete am 03.09.2020 ganze 176 Projekte auf, die nach einem Impfstoff suchen, darunter auch mehrere in Deutschland. Wie man da vorab wissen will, wer den besten Impfstoff hat oder wer zuerst einen fertiggestellt hat, bleibt ein Geheimnis. Sich das Produkt während der offenen Entstehungsphase mit enormer Konkurrenz zu sichern, muss so etwas wie ein neuer Quantensprung des Kapitalismus sein.
Und da sind wir beim Stichwort. Nur reiche Länder können sich diese Sicherung des Impfstoffes leisten, die armen Regionen dieser Welt bleiben auf der Strecke. Wie immer. Aber wir wundern uns ja auch nicht mehr über Geflüchtete, die im Mittelmeer ertrinken, oder? Wie viel Fantasie ist nötig, um sich hier einen weiteren Fluchtgrund für Menschen aus armen Regionen vorzustellen? Wie viel Voraussicht ist nötig, um darin eine Vergrößerung des Ungleichgewichtes zwischen den Ländern des globalen Nordens und des Südens zu sehen?
Mit den Impfstoffen ist es den reichen Industrien möglich, ihre Wirtschaft schneller wieder hochzufahren, früher wieder auf den Vor-Corona-Stand zu kommen als den armen Ländern. Dabei haben die reichen Länder eher die Möglichkeit, die coronabedingten Ausfälle zu kompensieren, zu überleben. Jetzt auf die aktuellen Infektionszahlen einzugehen ist riskant, aber ich versuche es. Die folgenden Zahlen über Neuinfektionen für den 22.09.2020 (Indien für den 21.09.2020) entnehme ich der Übersicht der Johns Hopkins University.
Wir erschrecken uns über die hohen Zahlen gut situierter Länder, sprechen über die Situation in Deutschland, Frankreich, Großbritannien. Dabei sollten wir uns eher darüber erschrecken, dass wir aus vielen Ländern der Welt überhaupt gar nichts hören. DEMOKRATIE IN BEWEGUNG tritt für eine Außenpolitik ein, die die weltweite Armut bekämpft. Dazu gehört auch, dass wir die Impfstoffe nicht nur für Deutsche und Europäer*innen bunkern. Wir sollten Verantwortung auch für ärmere Länder übernehmen, denn unser Reichtum ist das Resultat der Armut dort!