Ein Kommentar von Claudia Trapp
Genau diese Frage stelle ich mir seit der letzten Nationalwahl in Italien quasi täglich. Mal mit Abscheu, mal mit Mitgefühl, meist irritiert, aber leider gar nicht mehr amüsiert.
Ich habe in einem meiner vorangegangenen Italien-Blogs noch ein wenig salopp behauptet, „Italien ist eben Italien“ und „Politik ist dort schon immer etwas anders“. Heute, 15 Monate später, nehme ich das nicht mehr so auf die leichte Schulter, was bei unseren Nachbarn hinter dem Brenner passiert.
Mit dem Bruch der Regierungskoalition aus M5S (Movimento Cinque Stelle) und Lega steht Italien wieder ohne Regierung da. Ok, Italiens Regierungskrisen waren schon immer kompliziert, aber diese ist besonders prekär. Der Corriere della Sera sprach sogar von der „verrücktesten Regierungskrise der Welt“.
Nun steht eine mögliche Koalition mit der PD (den dortigen Sozialdemokraten) zur Debatte. Was schwierig werden könnte, angesichts der schwerwiegenden Probleme des Landes: die Geflüchteten im Mittelmeer und der hochverschuldete Haushalt. Italien ist wie kaum ein anderes Land auf der Welt verschuldet. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone bekommt ihre Finanzen nicht in den Griff. Die Arbeitslosenzahlen steigen und die gut ausgebildeten jungen Menschen verlassen das Land. Ein ähnliches Setup wie in Griechenland 2015, nur würde es mit Italien für Resteuropa vermutlich nicht so glimpflich ablaufen. Trotzdem ist ein Italexit ein denkbares Szenario und was dies für die gesamte EU bedeutet, hat sich noch niemand auszumalen getraut.
Salvini hat seine teuren Wahlversprechen eingelöst, das Herabsetzen des Rentenalters und ein Bürgereinkommen, das an Bedingungen gebunden ist. Steuern will er auch noch senken.
Migranten dürfen nicht an Land und das Klima ist ihm auch egal. Aus der EU will er sowieso raus. Das war übrigens die einzige Gemeinsamkeit der beiden populistischen Parteien des rechten und des linken italienischen Politspektrums.
Die Sterne müssen jetzt über ihren Schatten springen, denn das Angebot, das die PD auf den Tisch gelegt hat, dürfte neben allen anderen Divergenzen zusätzlichen Sprengstoff beinhalten: Wir retten euch den Arsch, doch nur, wenn ihr dafür in der EU bleibt.
Alternativ könnte Salvinis Plan aufgehen und Neuwahlen müssten noch im Oktober dieses Jahres stattfinden. Er würde mit hoher Wahrscheinlichkeit als Sieger aus dieser Wahl hervorgehen. Und dann würde es eine echte „Frankenstein-Koalition” aus den rechten Nationalisten der Lega, den Neo-Faschisten, den Fratelli d’Italia und der Forza Italia des vorbestraften Berlusconi geben. Sowas wie seine Bewerbungsrede wurde schon im italienischen Fernsehen länglich übertragen. Der Unterschied zu dem Kinofilm aus den 30er Jahren: Frankenstein sah nicht gut aus, aber er war ein freundliches Monster! In der italienischen Tragödie, die wir gerade beobachten, ist das Monster äußerlich nicht weiter auffällig, trägt aber viele Züge des Jahres, in dem der Film in die Kinos kam.
Als weitere Option steht eine Minderheitsregierung im Raum – ein Konzept, dem ich nach der Bundestagswahl 2018 auch für Deutschland den Vorzug gegeben hätte. Allerdings kommt es in Italien ja schon bei Koalitionen nicht zu Einigungen im Parlament. Wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass eine Regierung handlungsfähig sein wird, die sich wechselnde Mehrheiten besorgen muss?
Letzte Variante: eine „Expertenregierung”. Schmuck- und emotionslos. Von 2011 bis 2013 gab es das zuletzt unter Regierungschef Mario Monti. Wir werden sehen wie es weitergeht – Italien wird uns so schnell nicht zur Ruhe kommen lassen, so oder so.
Ci vediamo, a presto!
*Titel des aktuellen Buchs von Roberto Saviano und Giovanni di Lorenzo