Über Hartz IV wurde die letzten Wochen heftig debattiert, das gab’s auch früher schon.
Anders als die Jahre zuvor könnte nun tatsächlich Bewegung in das System kommen.
Die einen wollen das Meiste belassen, wie es ist, weil es Gutes gebracht habe. Die anderen wollen es umfassend reformieren, weil es Notwendigkeiten für Anpassungen gäbe und wieder andere wollen davon ganz weg.
Alles hat seine Zeit. Die Frage „Was war gut oder schlecht an der Einführung von Hartz IV?“ ist für uns von DEMOKRATIE IN BEWEGUNG nicht die wichtigste Frage, das überlassen wir gern den Historikern.
Die wichtigsten Fragen lauten für uns: Was ist jetzt? Was soll werden?
Jetzt ist:
• Die Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht beseitigt. • Die Beschäftigung von Menschen mit Vermittlungshemmnissen ist völlig unzureichend. • Prekäre Beschäftigung und Niedriglohnsektor hatten nie zuvor ein solches Ausmaß. • Leiharbeit, sachgrundlose Befristung, Werksverträge und Scheinselbstständigkeit bedrohen massiv Stammbelegschaften, schädigen die Sozialkassen und hebeln die Schutzrechte der Arbeitnehmer*innen aus. • Die Kinderarmut erreicht skandalöse Höchststände und die Tafeln verzeichnen Besucherrekorde bei der Armenspeisung. • Die Anzahl der Menschen, die mehr als einen Job machen müssen um über die Runden zu kommen, nimmt immer weiter zu. • Altersarmut, auch als Folge von Hartz IV, wird zum Massenschicksal. • Stigmatisierung und der Verlust von Teilhabe durch systematische Verarmung führen zu individuellen Tragödien, Resignation und sozialer Spaltung. • Die Mittelschicht schrumpft, die Privatverschuldung steigt, die Binnenwirtschaft ist schwach. • Die zunehmende Verunsicherung nährt massiv extremistische Gruppierungen, die zu einer Gefahr für die Demokratie und den inneren Frieden der Gesellschaft geworden sind. • Statt mit effektiver, individueller Förderung und Vermittlung ihrer Kunden sind knapp die Hälfte der Bediensteten bei der Bundesagentur für Arbeit mit Verwaltung, Statistik, Überwachung und Anträgen beschäftigt. Ein kostenhungriges Bürokratiemonstrum, welches viel zu viele Probleme bearbeitet, die das Hartz IV-System selbst verursacht. • Die Arbeitsmarktstrategie der Behörde, egal ob durch ALG I oder ALG II, konnte den katastrophalen Arbeitskräftemangel in der Pflege, der Pädagogik, bei den Therapeuten oder auch im Handwerk nicht verhindern.
Die angeführten Punkte sind wesentliche Teile eines Resümees. Also ist die folgende Frage doch legitim:
Wie erfolgreich ist das viel beschworene „Fördern und Fordern“? Wie effektiv sind die Sanktionen? Und wie aktivierend wirken die Drohkulissen, die mit Hartz IV geschaffen wurden?
Auch wer sich nicht zu den „Hartz IV Gegnern“ zählt, kann dieses Resultat NICHT GUT nennen. Denn sonst würde es die oben genannten Punkte weitgehend gelöst haben.
Unser Fazit: Das System „Hartz 4“ funktioniert offensichtlich nicht!
Wohin hat sich der Sozialstaat und die viel beschworene soziale Marktwirtschaft entwickelt?
In einen Hort des Niedriglohnsektors. Einen Hort der atypischen Beschäftigungsverhältnisse. Einen Hort von unbezahlbarem Wohnraum. Einen Hort der Zweiklassenmedizin. Einen Hort von flaschensammelnden Rentnern und bildungsfernen Kindern in Armut. In eine zerfallende Gesellschaft, in der die Abstiegsangst grassiert und die Gier immer neue Krisen verursacht. Hin zu einem vergifteten Klima in dem Missgunst, Neid, Feindseligkeit, Misstrauen und Fakenews orientierungslos machen. In einen Staat der bis zur Handlungsunfähigkeit demontiert und kaputtgespart wurde und der fast immer zu spät auf Katastrophen reagiert statt zu agieren und den Ton anzugeben.
Natürlich ist das keine vollständige Analyse, aber ganz sicher eine zutreffende Beschreibung aus der Lebenswirklichkeit sehr vieler Mitmenschen.
Wir bei DEMOKRATIE IN BEWEGUNG setzen auf Hoffnung und Zuversicht durch eine neue Zielsetzung und dadurch, dass wir Politik anders machen. Neben unseren unverhandelbaren Grundwerten wollen wir das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip wieder zum Maßstab machen.
Was werden soll:
• Wir wollen Hartz IV überwinden und zuerst Repressalien durch Sanktionierung, selbst des Existenzminimums und Gängelei abschaffen. • Wir wollen stattdessen ein Belohnungssystem das motiviert, individuell aktivierende Hilfe leistet und persönliche Perspektiven schafft. • Vor allem wollen wir ein Bedingungsloses-Grund-Einkommen (BGE) durchsetzen, das ein würdevolles und teilhabendes Leben garantiert, das die Entfaltung der persönlichen Stärken und Fähigkeiten absichert und die Freiheit schafft, um selbstbestimmt leben und arbeiten zu können.
Wir bei DEMOKRATIE IN BEWEGUNG sind überzeugt, dass es mit punktuellen Verbesserungen und kosmetischen Operationen nicht getan ist. Das heutige Sozialsystem, das aus dem letzten Jahrhundert stammt, ist ein Oldtimer und wird es bleiben, egal wie viel man daran rumpoliert.
Es ist höchste Zeit für ein neues, ein zukunftsfähiges Modell. Nicht nur, weil das alte Modell schon heute nicht mehr gut genug funktioniert, sondern auch, weil es im Hinblick auf die revolutionär veränderte Arbeitswelt, die durch die Digitalisierung, durch künstliche Intelligenz, durch Migration oder auch durch die Demografie auf uns zurast, keine Zukunftssicherheit anbietet.
Das BGE, wie wir es verstehen, ist kein Mittel um Marktdefekte zu reparieren. Es weist über das bestehende Gesellschaftsmodell hinaus und ebnet den Weg zu einer Solidargemeinschaft, die sich am Gemeinwohl orientiert, die Menschenrechte achtet und dem selbstbestimmten Menschen würdevoll begegnet.
Ausgangspunkt ist ein positives Menschenbild, das davon ausgeht, dass der Mensch als soziales Wesen Teilhabe an der Gemeinschaft anstrebt und sich entsprechend seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten einbringen will, um im Gegenzug Anerkennung und Sicherheit durch diese Gemeinschaft zu erfahren.
Das beinhaltet zwingend, dass die Definition von Arbeit nicht mehr auf die heute übliche Erwerbsarbeit verengt wird, sondern jede Leistung die der Allgemeinheit direkt oder indirekt zu Gute kommt, als Arbeit anerkannt wird.
Das „Hartz IV-System“ dagegen signalisiert heute etwas ganz anderes.
Hier wird der/m Einzelnen unterstellt nicht genug selber dafür zu tun, wieder in Arbeit zu kommen, weil er sich, wenn er nicht zu etwas anderem gezwungen wird, parasitär verhält.
Das ist kein würdevoller Umgang mit diesen betroffen Menschen, denen im besten Fall noch mit Bedauern klar gemacht, dass er/sie zu alt, zu gebrechlich ist, physisch oder psychisch ungeeignet oder schlichtweg die Herkunft die Falsche ist, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen.
Alles Dinge, die ein Individuum nicht ändern kann. Dadurch wird ein Ohnmachtsgefühl und der Eindruck ausgegrenzt zu sein erzeugt.
In diesem Zusammenhang erscheint eine Aussage des Staatsrechtler Hermann Hellers, aus der Zeit der krisengebeutelten Republik von Weimar wieder hochaktuell:
„Welches Interesse sollten die sozial Schwachen eigentlich haben, gute Bürger eines Staates zu sein, wenn dieser sich um ihre Lebensinteressen nicht kümmert?“
So wird die Solidargemeinschaft nicht gefestigt. So wird Gemeinschaft gespaltet in Lager, die sich bekämpfen. Diejenigen, die alles haben, gegen die, die alles wollen, gegen die, die Angst haben alles zu verlieren, gegen die, die schon alles verloren haben, die Starken gegen die Schwächeren, alt gegen jung, Region gegen Region usw.
Vieles davon ließe sich lösen oder zumindest erheblich entschärfen, wenn Leid sowie die Angst vor Leid in finanzieller/materieller Hinsicht minimiert wären und den Menschen eine Anerkennung zu Teil würde, die niemanden zum Bittsteller und ebenso niemanden zum Gönner macht.
Wir wollen die derzeitige Definition des Sozialstaatsmodells als Versorgungsstaat weiterentwickeln zum Wohlfahrtsstaat. Das heutige löchrige Netz der Versorgungssysteme ersetzen durch ein lückenloses Sicherungsseil, das Würde und Freiheit für alle Mitglieder der Gesellschaft sicherstellt.
Das Bedingungslose-Grund-Einkommen ist unserer Meinung nach dafür das geeignete Mittel.