Gastbeitrag von Sabrina Schmitt und Maik Krüger.
Heute ist Internationaler Frauentag. Auf dem Weg zur Gleichberechtigung haben Frauen* in der Geschichte bis heute viel erreicht. Es ist aber nach wie vor viel zu tun. Dies wollen wir zum Anlass nehmen, um auf einen häufig unsichtbaren Missstand aufmerksam zu machen. Hierfür konnten wir zwei Gastautor*innen, die auch beim DiB-Tisch zu Gast waren, für unseren Blog gewinnen: Sabrina Schmitt arbeitet an der Frauenakademie München, Maik Krüger an der LMU München. Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiter*innen im Forschungsverbund ForGenderCare und engagieren sich in den Initiativen “1. Mai – Tag der unsichtbaren Arbeit” sowie care.macht.mehr.
All you need is Love? Unsichtbare Care-Arbeit nicht weiter vor allem den Frauen überlassen!
‚Unsichtbare Arbeit‘, ein Thema und eine Diskussion, die bisher vor allem im Umfeld von Forschenden auf diesem Gebiet geführt wird. Wir möchten dieses Thema gerne in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen, denn es betrifft nicht nur Forschende, nicht nur Pflegende, es betrifft uns alle, die wir Menschen sind.
Care ist die Beschäftigung mit Fragen der Sorge um sich und um andere. So ließe sich fragen, wie wir Menschen miteinander umgehen wollen, was für einer Care-Ethik wir folgen wollen. Mit Care steht also nicht weniger als die Frage, wie ein gutes Leben für alle organisiert sein sollte, im Mittelpunkt. Ein eher praxisbezogenes Thema wäre die Care-Arbeit. Darunter sind alle Tätigkeiten zu fassen, die dem Wohlergehen, der Verletzlichkeit sowie der Angewiesenheit der Menschen dienen. Hierunter fallen die bekannten Care-Berufe, wie die Pflege alter und kranker Menschen oder auch das Kümmern um sehr junge Menschen. Das ist offensichtlich.
Unter Care-Tätigkeiten fallen aber auch Arbeiten wie beispielsweise das Einkaufen für die Familie, das Geschirrspülen und Brote schmieren, Hilfstätigkeiten für die Nachbarschaft oder fremde Menschen. Während es sich bei der Erwerbsarbeit, also der bezahlten Arbeit inkl. Gender Pay Gap, um Tätigkeiten handelt, die in öffentlichen Debatten sichtbar sind, ist dies bei Hausarbeiten kaum der Fall. Nicht nur das: Hausarbeit ist lästig, sie ist nachrangig, irgendwie ist sie gar keine Arbeit. Sie ist nur Last, die wir, wenn wir nur genügend Geld haben, lieber andere machen lassen. Über Hausarbeit reden wir nicht. Sie bringt kein Geld. Sie bringt kein Prestige. Sie kurbelt unsere Karriere nicht an. Also machen wir unsere Hausarbeit unsichtbar.
Diese unsichtbare Hausarbeit ist aber für unser aller Leben mindestens genauso notwendig wie die Erwerbsarbeit. Stellen wir uns nur mal unsere Wohnung vor, wenn niemand mehr abwaschen oder Staub saugen würde. Solcherlei Arbeiten werden in aller Regel immer noch von Frauen gemacht – denn die Mehrzahl der Männer geht einer Erwerbsarbeit nach. Die Mehrzahl der Männer erledigt die sichtbare Arbeit, viele Frauen den unsichtbaren Teil der Arbeit, der den sichtbaren Teil überhaupt erst möglich macht.
Ohne die unsichtbaren (und sichtbaren) Care-Arbeiten funktioniert also unsere Gesellschaft nicht. Das merken wir nicht nur, wenn, wie im Jahr 2015 geschehen, Erzieher*innen streiken. Das merken wir auch, wenn vom Pflegenotstand die Rede ist, wenn wir von sogenannten 24-Stunden-Pflegekräften hören oder eine Studie zur Belastung pflegender Töchter lesen.
Was müssen wir also tun, wenn wir die Frage nach der Organisation der Sorge um sich und andere im Sinne eines guten Lebens für alle lösen wollen? Und das, ohne in traditionelle Geschlechterleitbilder zurückzufallen. Dazu bedarf es Rahmenbedingungen, die eine geschlechtergerechte(re) Aufteilung der unsichtbaren Arbeit und das „Sorgen füreinander“ ins Zentrum stellen.
Diese Bedingungen müssen so gestaltet sein, dass es allen Menschen möglich ist, in ihrem Lebensverlauf Erwerbs- und Sorgearbeit nach ihren Bedarfen zu verbinden. Die Umsetzung eines derartigen Erwerbs- und Sorgemodells, wie es beispielsweise von Karin Jurczyk und Ulrich Mückenberger vorgeschlagen wird, ist jetzt vor allem politische Gestaltungsaufgabe. Dazu muss Care als Querschnittsthema in allen Politikfeldern berücksichtigt werden und nicht etwa als Randthema der Sozial- und Gleichstellungspolitik abgehandelt werden.
Gleichzeitig werden Strukturen für nachbarschaftsbezogene sorgende Gemeinschaften (auch unter dem Begriff caring communities bekannt), die (neue) Sorgenetze auf kommunaler Ebene fördern und bestärken, benötigt. Bei der Schaffung dieser Strukturen müssen dann auch Wohlfahrtsverbände und Kommunen beteiligt werden. Und zu guter letzt brauchen wir eine engagierte Zivilgesellschaft und politisierte Care-Arbeiter*innen, die die (un)sichtbare Care-Arbeit immer und immer wieder sichtbar machen. In diesem Sinne begehen bundesweite Initiativgruppen den 1. Mai als Tag der unsichtbaren Arbeit. Nachahmen empfohlen!
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