Wir kennen uns schon so lange – ich wuchs mit Euch auf. Antonio, Oreste, Paolo und Enrico, Ihr wart meine einzigen Spielkameraden auf dem städtischen Lagerplatz meines Großvaters, auf dem ich aufwuchs. Ihr habt mir die infiniten Verben von essen, schlafen und spielen beigebracht und ich habe Euch die Nerven geraubt mit meinen neugierigen Fragen nach Euren Kindern und Familien in Eurer süditalienischen Heimat Apulien.
Als Ihr unsere ganze Familie dann eingeladen habt – ich war 5 Jahre alt – fuhren wir zu fünft in einem klapprigen Fiat Mirafoiri nach Apulien. Nur 72 Stunden und zwei Reifenpannen später kamen wir im Absatz des italienischen Stiefels, in Lecce, an.
Seit diesem Urlaub lässt mich Bella Italia nicht mehr los. Ich zog dann ‘88 konsequenterweise in das Land, in dem die Zitronen blühen, um dort zu leben und zu arbeiten. Ich habe den wichtigsten Meilenstein jüngerer deutscher Geschichte verpasst: den Mauerfall.
Meine unerschütterliche Liebe zu diesem wunderschönen, abwechslungsreichen Land mit diesen herzlichen, lauten und toleranten Menschen und seiner für mich unerreichten Kulinarik, ist bis heute ungebrochen, auch wenn es mich dann irgendwann doch wieder nach Deutschland gezogen hat – aber das ist eine andere Geschichte und hat etwas mit Machismo und Feminismus zu tun.
Das Einzige, was ich nie verstanden habe, beziehungsweise nicht akzeptieren wollte, ist das politische Desinteresse der überwiegenden Mehrheit der Italiener*innen. Okay, die Gründe dafür sind mannigfaltig und wiegen schwer: die Mafia, die Kirche, Andreotti, Korruption, Berlusconi, Steuerhinterziehung und Bunga-Bunga, all das brachte und bringt dieses Gründungsmitglied der EU politisch und wirtschaftlich immer wieder in Bedrängnis.
Doch nun soll alles besser werden – ein neues Wahlrecht soll Italiens politisches System stabilisieren.
Ob dies gelingen wird? Ich habe meine Zweifel. Nach meiner Erfahrung benötigt Italien keine Neuwahlen (mit immer anderen Wahlsystemen, aber immer den gleichen Kandidat*innen). Die gelernte Unberechenbarkeit und Unehrlichkeit der Politiker*innen und der Parteien haben das italienische Volk nachhaltig und generationenübergreifend politisch traumatisiert. Dieses Trauma kann nur durch Mitbestimmung und Transparenz geheilt werden. In Italien ist zwar politische Instabilität nichts Neues: Seit 1946 gab es in dem Land bereits 64 Regierungen. Das ist zwar einerseits niederschmetternd, andererseits birgt es aber auch eine absurde Sicherheit, wie der Verfassungsrechtler Gino Scaccia im Interview mit dem Deutschlandradio erläutert:
„Wenn wir aus heutiger Perspektive in die Geschichte zurückblicken, können wir feststellen, dass Italien immer schon sehr instabile Regierungen gehabt hat und trotzdem unter dem politischen Aspekt extrem stabil war. Wir waren immer überzeugte Europäer, …..“
Was die Instabilität betrifft, dürfte sich das nach heute Nacht nicht geändert haben. Ob und wie eine Regierung mit diesem Ergebnis und den aktuellen Mehrheiten gebildet werden kann, steht definitiv in den Sternen – allerdings nicht in den Cinque Stelle. Sie sind zwar als Partei mit den meisten Stimmen aus der Wahl gegangen, aber da es keine Koalitionäre gibt, dürften die Grillini aus der Verantwortung raus sein. Wie befürchtet hat das Mitte-Rechts Bündnis das Rennen heute Nacht aller Wahrscheinlichkeit nach gemacht. Allerdings ist nicht der vorbestrafte Steuerhinterzieher Berlusconi mit seiner Forza Italia Gewinner, sondern der Rechtspopulist Matteo Salvini von der Lega Nord. Berlusconi hatte, für den Zeitraum bis zu seiner möglichen Amtsübernahme den Nachfolger von Martin Schulz, den Präsidenten des Europäischen Parlaments Antonio Tajani, vorgeschlagen. Mit einem Italexit wäre somit höchstwahrscheinlich nicht zu rechnen gewesen. Falls es denn nun tatsächlich zu einer Mitte-Rechts Koalition unter der Führung der Lombardischen Nationalisten kommt, wird es für Europa wieder ein bisschen schlechter aussehen.
Daher müssen nun unbedingt die nächsten zwölf Monate unbedingt genutzt werden, um für die Europawahl 2019 gerüstet zu sein. Italien ist – ähnlich wie Griechenland – in einer sehr schwierigen Situation, die die gesamte EU mit zu verantworten hat. Die Staatsverschuldung wird, egal unter welcher Regierung, in Italien nicht niedriger werden. Es wird dringend Zeit zu handeln, damit Italien nicht in die gleiche Situation kommt, wie wir sie aus Griechenland kennen und wir nicht ein wichtiges Gründungsmitglied der EU verlieren. Nur eine veränderte Europapolitik kann die Probleme angehen.
DiB soll sich zu einer transnationalen Partei entwickeln. Dafür loten wir schon diverse Möglichkeiten mit anderen progressiven Organisationen und Parteien aus Deutschland und Europa aus, um progressive Koalitionen zu bilden. Unseren politischen Marktplatz der Ideen wollen wir in allen EU-Ländern aufbauen. Wir benötigen Menschen überall in Europa, um dieses Ziel in die Tat umzusetzen. Menschen, die sich engagieren, um die Europäische Union zu demokratisieren.
Am kommenden Mittwoch treffen wir uns in Berlin mit Vertreter*innen der polnischen Partei RAZEM und der Berliner Gruppe der paneuropäischen Bewegung DiEM25 in Berlin.
Wo sind die progressiven italienischen Männer und Frauen? Melde Dich bei uns. Lasst uns gemeinsam Kräfte für Toleranz und Gerechtigkeit in Europa bündeln.
Ich hoffe, wir können in den verbleibenden Monaten bis zur Europawahl eine große progressive Plattform mit vielen Unterstützer*innen europaweit aktivieren.
Insieme. Zusammen. Dafür bin ich bei DiB!
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