Aufeinander zugehen

Das Bild zeigt Reste der Berliner Mauer.

von Florian und Renaldo

Am 9. November 2019 jährt sich der Tag des Mauerfalls zum dreißigsten Mal. Länger als die Mauer, Werkzeug und Symbol der Trennung, überhaupt existierte. Zu diesem Zeitpunkt können wir bereits auf eine neunundzwanzigjährige gemeinsame Vergangenheit als wiedervereintes Land blicken – mit Höhen und Tiefen, genutzten und ungenutzten Chancen. 

Als politische Akteure ist es durchaus unsere Pflicht, kritisch auf historische Ereignisse, wie den Fall der Berliner Mauer, seine Ursachen und seine Folgen zu blicken. Trotzdem möchten wir auf die Debatte über gegenseitige Vorurteile und enttäuschte Erwartungen an dieser Stelle verzichten und statt dessen Prognosen und Ideenkonstrukte entwickeln.

Wem ein kritischer Blick lieber ist, kann sich dem Beitrag “Wie ostdeutsch ist die Bundesrepublik?” zuwenden, indem geschildert wird, warum unter Abschottung und Macht bestimmter Eliten, Ossis und Wessis gleichermaßen leiden.

Trotz unterschiedlicher Sozialisation derer, die bis 1989 geboren wurden, sind wir politisch, sozial und ökonomisch heute wieder stark verbunden. Die Gründe dafür sind vielfältig aber nachrangig, da es nur darauf ankommt wieder eins zu sein und ein Wir-Gefühl zu entwickeln.

Wir alle tragen Identitätsmerkmale. Diese beschränken sich aber bei Weitem nicht mehr auf ost- und westdeutsch, sondern sind wesentlich diverser. Erst die Überhöhung von Merkmalen spaltet die Gesellschaft.

Die bunte Republik Deutschland ist dagegen die Einheit verschiedener Geschlechtsidentitäten, religiöser Ausprägungen und vielfältiger Herkünfte.

Das rücksichtsvolle Zusammenleben und vor allem Zusammenwachsen muss – wie der tägliche Blick in die Zeitung zeigt – in jeder Gruppe empfindliche Priorität genießen und oft auch neu erlernt werden. Doch Zusammenwachsen ist möglich. Das zeigt uns gerade die jüngste Generation mit ihrem anhaltenden und auch mitreißenden Protest für ein besseres Klima, politischen Aktivismus und Einsatz für eben diese rücksichtsvolle Art des Zusammenlebens.

Wenn wir es also schaffen, neben dem Klima, politischer Teilhabe und respektvollen Umgang weitere verbindende Klammern zu schaffen, welche auch  Partei- und Politikverdrossene, Systementtäuschte und Wendeverlierer*innen einbinden kann, besteht die Chance, die historisch großen gesellschaftlichen Gräben zu schließen, die uns erneut zu teilen drohen.

Sich in einer vielfältigen Gesellschaft von einander abgrenzen zu wollen, ist verständlich und das demokratische Recht eines jeden Individuums. Doch der schmale Grat zur Ausgrenzung darf eben nicht überschritten werden, sonst vertiefen wir die Gräben, die wir eigentlich überwinden wollen.

Nutzen wir den 9. November also dazu, um jede Lebensleistung anzuerkennen, sich seinen Lieblings-Ossi und Lieblings-Wessi zu suchen und andere nicht als Fremde zu betrachten! 

Machen wir uns bewusst, wie wertvoll es ist, seine eigene Sozialisation als Teil der eigenen Identität leben zu dürfen und sie sich durch sein Gegenüber anerkennen zu lassen und gehen wir einen weiteren Schritt aufeinander zu.