Leitlinien zur Flüchtlings- und Migrationspolitik

Auch wenn es in vielen Medien immer wieder heißt, dass Deutschland und die EU eine liberale Flüchtlingspolitik betreiben würden, so ist doch das Gegenteil der Fall: Über 3000 Menschen sind in diesem Jahr bereits im Mittelmeer umgekommen, und die Zustände in Libyen, wo Flüchtlinge in Lager gesperrt und auf Sklavenmärkten verkauft werden, sind mehr als unmenschlich.

Mehr als 65 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht, viele davon im Nahen Osten und in Afrika. Sie fliehen vor Krieg, Armut, Hunger, Unterdrückung, Ausbeutung, Verfolgung, Diskriminierung, nicht vorhandenen Lebensperspektiven sowie den Auswirkungen des Klimawandels oder aber vor einer Kombination der genannten Ursachen. Bisher schottet sich Europa nur mehr und mehr ab und verlegt das eigene Grenzregime zunehmend weiter nach Süden, um die Flucht nach Europa zu verhindern.

Die Initiative “Leitlinien zur Flüchtlings- und Migrationspolitik” will realistische Lösungen finden, um Flucht auf der ganzen Welt effektiv zu bekämpfen, statt sich in ideologischen Grabenkämpfen zu verlieren. Simon Filser, der die Initiative mit auf den Weg brachte, und Jörg Rupp, der an der weiteren Ausarbeitung beteiligt war, haben einige Fragen dazu beantwortet.

 

Welche Maßnahmen sind kurzfristig zu treffen, um die Situation im Mittelmeer und in Nordafrika zu entspannen?

Simon: Aktuell wird in den Medien berichtet, dass die EU es mindestens duldet, dass Geflüchtete aus verschiedenen afrikanischen Ländern in Libyen von Kriminellen festgehalten und misshandelt werden. Wir fordern im Gegenteil, dass keine “Deals” zwischen Deutschland/ der EU und autoritären Regimen wie der Türkei gemacht werden. Denn diese zielen nur darauf ab,  Geflüchtete festzuhalten. Stattdessen muss Deutschland seine Zusagen zu Entwicklungshilfe, zum Klimaschutz und zum UNHCR (Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) einhalten, um sich nicht mitschuldig an Fluchtursachen zu machen.

Deutschland und die gesamte EU sollten ihr politisches Gewicht nutzen, um Frieden zu sichern. Dazu zählt es, keine Waffen in unsichere Regionen zu verkaufen und auch die Handlungsspielräume der UN für die aktive Friedenssicherung zu erweitern. Außerdem soll die Versorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern in der Nähe ihrer Heimatländer verbessert werden, was eine ausreichende Finanzierung voraussetzt.

Jörg: Um kurzfristig die Lage zu entspannen, bedarf es darüber hinaus einer schnellen Rettung der Menschen aus den Lagern, vor allem vor der Sklaverei, wie sie in Libyen derzeit geschieht. Hier gibt es keine andere Möglichkeit, als schnell und umfassend zu helfen – sprich: den Deal mit den libyschen Warlords zu canceln und die Menschen aufzunehmen. Ebenso müssen die Lager in Griechenland verkleinert und besser ausgerüstet werden. Das hätte längst passiert sein müssen.

Wie sieht das mittel- bis langfristige Konzept aus?

Simon: Mittel- bis langfristig sollen Fluchtursachen ehrlich bekämpft werden. Einseitige Handelsprivilegien für Entwicklungsländer, wie sie Ende des 20. Jahrhunderts schon erprobt wurden, Wirtschaftsförderung statt Entwicklungshilfe und die Förderung wirtschaftlicher Unabhängigkeit für Entwicklungsländer können Abhilfe schaffen. Die Eindämmung des Klimawandels, der als zukünftig dominierende Fluchtursache erwartet wird, ist eine weitere wichtige Maßnahme. Wenn man diese ernst meint, muss man allerdings auch zugeben, dass sie unseren Exportüberschuss und damit auch unseren Wohlstand etwas reduzieren werden.

Jörg: Dort, wo die Fluchtursachen nicht bekämpft werden können, weil Kriege ohne Einfluss von außen entstehen oder die Menschen aus anderen Gründen zur Flucht gezwungen werden, braucht es gut finanzierte und sichere Auffanglager. Wichtig ist auch ein europäisches Asylverfahren, das Menschen gleichmäßig auf die Staaten der EU verteilt. Vor Ort müssen Perspektiven geschaffen werden, anstatt die Menschen in Lagern zu verwalten und darauf zu warten, dass sie zurückgeschickt werden können.

Die Initiative unterscheidet zwischen Flüchtlingen und Migrant*innen. Magst Du das bitte einmal kurz erläutern?

Simon: Die Begriffe beziehen sich auf laut Völkerrecht auf unterschiedliche Aspekte: “Flüchtling” ist ein Mensch, der vor Gewalt und Verfolgung flüchten muss. Der Begriff bezieht sich also auf die Begründung der Flucht. “Migrant*in” ist ein Mensch, der dauerhaft seinen Wohnort wechselt und in der Regel im Zielland arbeiten will. Oft treten beide Eigenschaften gleichzeitig auf, grundsätzlich haben diese verschiedenen Gruppen aber unterschiedliche Bedürfnisse und Eigenschaften. Menschen, die beispielsweise auf der Flucht vor Verfolgung sind, müssen im Rahmen des Asylgesetzes behandelt werden. Für alle anderen muss der Weg der Einwanderung über ein Einwanderungsgesetz ermöglicht und die Bedingungen und Voraussetzungen für die Einwanderung geprüft werden. In den Herkunftsländern muss es eine transparente, offene Informationspolitik geben, welche ganz klar die zwei Möglichkeiten Asyl und Migration und die dafür wichtigen Voraussetzungen darstellt.

Vielen Dank für Eure Erläuterungen!

Es ist also offensichtlich, dass es auf vielen verschiedenen Ebenen notwendig ist zu handeln – und dass so schnell wie möglich damit begonnen werden sollte!

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