Sagt Friedrich von Schiller und steht nicht allein mit diesen Worten im Kreis berühmter Denker/innen.
Doch meinen wir nicht, dass Demokratie nur dann gegeben ist, wenn alle ihre Stimme abgeben und sich daraus eine Mehrheit bildet? So haben wir es gelernt und dachten, dass es richtig ist. Und wundern uns, dass trotz Mehrheitsentscheiden oft Unfrieden herrscht: in Gruppen, Gemeinschaften, Familien, überall, wo Menschen sich auf einen richtigen Weg einigen wollten.
Wenn menschliche Entscheidungen die gesellschaftliche Entwicklung bestimmen, sollte diese auf einem breiten Konsens basieren. Zum einen grundsätzlich, doch auch mit qualitativem Anspruch. Denn nur Minimalkonsens bietet kaum Entwicklungsperspektive und wenig Zufriedenheit. Dabei sind die Herausforderungen groß in einer schnelllebigen Welt und verlangen nachhaltige Entscheidungen, Flexibilität und die Berücksichtigung vielseitiger Interessen.
Neue Wege der Verständigung – Der machtfreie Raum
Siegfried Schrotta und Dr. Erich Visotschnig, beide Systemanalytiker in der Computerindustrie, entwickelten in den 1970er-Jahren eine Idee, die sie in vielen Modellversuchen mit Gruppen erprobten. Daraus resultierte um die Jahrhundertwende das “Systemische Konsensprinzip“ zur Lösung von Entscheidungskonflikten ohne Machtkämpfe. Dieses Prinzip wurde in den Folgejahren modifiziert und steht als „Systemisches Konsensieren“ dort zur Verfügung, wo in Gruppen, Parteien und Betrieben Teams effektiv zusammenarbeiten wollen und immer wieder Entscheidungen treffen müssen. Die üblichen Mehrheitsentscheidungen haben zunehmend zu Konflikten geführt, zu Enttäuschungen und Demotivation der in der Abstimmung Unterlegenen, letztendlich zu Streit und unproduktiven Ergebnissen.
„Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen,“
so Schiller weiter. Auf diesem Prinzip fußt das Systemische Konsensieren. Denn anstatt zu fragen, wer dafür oder dagegen ist, wird eine differenzierte und graduelle Sichtweise abgefragt. Unterschiedliche Varianten können in einer Fragestellung zusammengefasst werden, anstatt die möglichen Alternativen eine nach der anderen über eine Ja-Nein-Abstimmung aus dem Rennen zu kegeln. In einer letztendlichen Kampfabstimmung finden sich die Anhänger/innen der zuvor abgelehnten Alternativen bestimmt nicht wieder: sie wählen das geringere Übel oder halten sich resigniert aus der weiteren Abstimmung um ein Ja oder ein Nein – möglicherweise mit Groll – heraus.
Beim Systemischen Konsensieren wird nicht das Für und Wider abgefragt, sondern ein Widerstandswert. Anstatt Ja und Nein steht für jede Frage oder jedes Alternativkonzept eine Bewertungsskala zur Verfügung. Null steht für keinen Widerstand, Zehn steht für totale Ablehnung. In gradueller Abstufung dazwischen lassen sich relative Einschätzungen und Meinungsbilder festhalten. Die anschließende Auswertung zeigt oft überraschende Ergebnisse: ein zuvor und nach bislang üblicher Abstimmung gescheiterter Weg kann über das Systemische Konsensieren die Lösung sein: weil sie – von allen! – am wenigsten abgelehnt wird und die meisten mit dieser Entscheidung auch zufrieden sein können. Die Folge: eine Gruppe bricht nicht auseinander, die Teilnehmer/innen bleiben motiviert und im guten Kontakt. Die Arbeit geht weiter, und gemeinsam werden noch bestehende Mängel oder weitere Anforderungen einvernehmlich aus dem Weg geräumt.
Demokratie in Bewegung
Das Systemische Konsensieren stellt also den lang gewohnten Entscheidungsweg über das absolute Mehrheitsprinzip auf den Kopf. Das erfordert für viele ein Umdenken und für Organisationen andere Abstimmungswege als bisher. Für den einzelnen Menschen bedeutet dies, dass man nicht mehr die Meinung anderer bekämpft, sondern Lösungsvorschläge anbietet, die am wenigsten Widerstand erzeugen. Daraus ermittelte Entscheidungen sind am geringsten konfliktträchtig und daher am konsensfähigsten. Zwar gehören Konflikte zum Leben, doch entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
Für DEMOKRATIE in BEWEGUNG steht die Bewegung im Titel. Dafür wollen wir etwas tun und sehen im Systemischen Konsensieren den richtigen Weg, Konflikte und folgende Stagnation zu vermeiden. Wenn Friedrich Schiller vor über zweihundert Jahren einem Staat den Untergang prognostiziert hat, der allein auf massenhafte Ergebnisse sieht, stehen wir heute wieder einmal vor Staatsverdrossenheit, Protestwähler/innen und Wutbürger/innen: Potenzial für Rechtsruck und Zerstörung unserer Demokratie. Vielleicht gelingt es uns, dieser Tendenz entgegen zu wirken, indem wir das Abstimmungsverhalten ändern: mittels Systemischer Konsensierung weniger konfrontativ und dennoch nach mehrheitlichem Willen.
Weitere Info und Fallbeispiele u.a. http://isykonsens.a-bis.de/sk-kurz-erklaert/fallbeispiele/
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