Rede zum Wahlprogramm: Zusammen machen wir Zukunft

Alexander Plitsch

Auf unserem Parteitag in Köln haben wir unsere Forderungen zur Bundestagswahl 2017 beschlossen. Aus über 80 Initiativen haben wir ein kompaktes Programm beschlossen, mit dem wir ein starkes erstes Signal senden: Progressiv, weltoffen, gerecht – so wollen wir Demokratie in Bewegung bringen.

Ich hatte die Ehre, unser Programm vorzustellen und habe die Rede auch genutzt, um noch mal Revue passieren zu lassen und über die spannenden ersten Monate bei DiB und meinen ganz persönlichen Weg zur Parteigründung zu sprechen.

Hier gibt es die Rede auch als Video bei YouTube.

Zusammen machen wir Zukunft

Politik anders machen. Zusammen Zukunft gestalten. Das ist DEMOKRATIE IN BEWEGUNG. Das ist DiB.

Das ist es, was uns und viele Menschen mehr seit einigen Monaten verbindet, was uns zusammenhält.

Aber was hat uns eigentlich zusammengebracht? Was hat uns an den Punkt gebracht, zusammen Politik zu machen, gemeinsam eine neue Partei zu gründen? Ich glaube, viele von uns haben ähnliche Motive – und doch hat jede und jeder eine ganz eigene Geschichte, die am Ende zu DiB geführt hat.

Ich möchte euch gerne kurz meine erzählen.

Kreative und gerechte Lösungen für alle

Ich arbeite in der Kreativwirtschaft, in Marketingprojekten, in Innovationsprojekten, und arbeite viel mit Gründer/innen. Und da ist meine Erfahrung: Die besten Ergebnisse entstehen immer dann, wenn ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen und ergebnisoffen, konstruktiv und kreativ miteinander arbeiten.

Und dann schaut man in die Politik . . .

Männlich. Mittelalt. Jurist. Wenn das die Beschreibung des durchschnittlichen Abgeordneten im Bundestag ist – glauben wir wirklich, dass dort kreative und gerechte Lösungen für alle entstehen?

Das ist etwas, das mich oft geärgert hat an der Politik – und doch war es nicht mehr als ein Thema für Vorträge oder für die Mittagspause mit Kolleg/innen.  Auf die Idee, eine Partei mitzugründen, wäre ich allein dadurch sicher nicht gekommen. Da musste mehr passieren.

Ich habe mich geschämt

Zum Beispiel Pegida. Die AfD. Mehr und mehr Hass und Hetze im Netz.

Wie oft habe ich vor dem Bildschirm gesessen, schockiert über das, was Menschen sagen, was Menschen schreiben, was Menschen tun.

Weihnachten 2015, nach der Phase, in der sehr viele Menschen, sehr viele Geflüchtete in Deutschland angekommen waren, war ich mit der Familie bei meinen Eltern. Abends saß ich im Gottesdienst, und in der Predigt ging es darum, wie wir mit Geflüchteten umgehen. Der Pastor fragte: „Wie fühlt sich wohl die Mutter, die mit ihren Kindern in ein wackliges Schlauchboot steigt. Wie fühlt sich der Vater, der sich schützend vor seine Familie stellt, als der Wasserwerfer auffährt?“

Zu diesem Zeitpunkt war meine ältere Tochter anderthalb und meine Frau schwanger mit der jüngeren. Und das Thema hat mich total gepackt, ich konnte den restlichen Gottesdienst über nichts mehr anderes nachdenken und hatte auch in den Tagen darauf ständig diese Bilder vor Augen.

Ich habe mich geschämt. Für Deutschland, für unsere Gesellschaft, für uns und wie wir mit Menschen umgehen, die alles stehen und liegen lassen, ihre Heimat verlassen, sich auf den Weg machen, zu uns kommen und Zuflucht suchen und ein besseres Leben für ihre Familien.

Doch so sehr mich das Thema bewegt hat und auch heute bewegt: Auf die Idee, eine Partei zu gründen, wäre ich dadurch wahrscheinlich nicht gekommen. Da musste mehr passieren.

Und dann kam Donald Trump

Und 2016 hatte diesbezüglich einiges in petto.

Vor allem nationalistische, rechtspopulistische Tendenzen quer durch Europa. In Österreich, Frankreich, auch in Osteuropa und natürlich auch in Deutschland.

Bei mir wuchs ein Gefühl der Unsicherheit, ein Gefühl, das ich so gar nicht kannte. Ich habe mich gefragt: Wer garantiert uns eigentlich, dass meine beiden Töchter, dass unsere Kinder in einer offenen, in einer pluralistischen Gesellschaft leben werden? Wer garantiert uns, dass die Gesellschaft sie so akzeptieren wird wie sie sind – ganz egal wie sie sind? Wer garantiert uns, dass sie in einem offenen, in einem friedlichen Europa ohne Grenzen leben werden?

Das garantiert uns niemand!

In mir hat dies das Gefühl ausgelöst, irgendetwas tun zu wollen, nicht nur zuzuschauen, etwas zu unternehmen, anzupacken, damit sich Gesellschaft in die Richtung entwickelt, die ich mir wünsche – für uns, für unsere Kinder, für künftige Generationen.

Aber ich brauchte noch einen Schubser – und der kam 2016 gleich doppelt: erst kam der Brexit, ein großer Schock für viele, und dann folgte die Wahl von Donald Trump.

Im April wurde DiB geboren

Und Ende 2016 habe ich mich nach vielen Überlegungen und Gesprächen dann tatsächlich hingesetzt und habe über diese Idee geschrieben: Ist vielleicht ein Weg, mit diesen Entwicklungen und Herausforderungen unserer Zeit umzugehen, eine neue Partei zu gründen?

Ich war ehrlich gesagt überrascht, wie viele positive Rückmeldungen ich bekam – von Bekannten genau wie von Unbekannten.

Und dann hatte ich das große Glück, eine Gruppe ganz toller Menschen kennenzulernen, aus Berlin, aus Hamburg und anderswo her. Sie hatten sich mit den gleichen Ideen und aus ganz ähnlichen Motiven auf den Weg gemacht und hatten mit viel Leidenschaft und Enthusiasmus das Projekt Parteigründung angepackt.

Schon wenige Wochen später, im April, wurde DiB geboren.

Und noch mal vier Monate später sitzen wir hier zusammen, um zum ersten Mal unsere Forderungen, unsere Positionen, unser Programm zu beschließen. Das ist ein ganz besonderer Moment für viele von uns.

Mal fühlt es sich an wie ein unglaublicher Sprint in Rekordzeit an, mal wie ein kräftezehrender Marathon. Aber egal wie: Immer fühlt es sich gut an, immer fühlt es sich richtig an. Und ich bin sehr froh, ein Teil davon zu sein.

Ein Programm aus über 80 Initiativen

Ehrlich gesagt war ich lange eher skeptisch in Bezug auf unsere Initiativen fürs Programm. Ich habe mich gefragt: Wie soll das klappen, in der kurzen Zeit aus so vielen Ideen, Meinungen, Diskussionen und Gesprächen tatsächlich etwas zu formen, zu Ergebnissen zu kommen?

Umso beeindruckender finde ich das, was dann passiert ist. Wir haben in den vergangenen Wochen über 100 Programminitiativen entwickelt und diskutiert und über 80 erfolgreich abgestimmt.

Ich finde, darauf können wir alle sehr stolz sein.

Aber noch beeindruckender ist für mich das Ergebnis. Und an dem kompakten Programm, das wir heute beschließen, kann man das besonders gut sehen. Auf einigen Seiten haben wir die über 80 Initiativen zusammengefasst – und ich finde, es ist uns ein starkes erstes Signal gelungen, das sagt: So wollen wir gemeinsam Demokratie in Bewegung bringen.

Unsere Forderungen sind progressiv, sie sind weltoffen und europäisch, sie sind gerecht und vor allem sind sie demokratisch.

Der Status quo und Stillstand sind keine Optionen

Progressiv, das heißt bei DiB: Wir machen keinen Halt vor den großen Fragen unserer Zeit. Wir haben keine Scheu, unbequeme Themen anzugehen. Und wir sind uns alle einig: Der Status quo und Stillstand sind keine Optionen mehr.

Klima- und Umweltschutz brauchen heute Bewegung, brauchen jetzt neue Lösungen. Wir brauchen eine entschlossene Energiewende, wenn wir unsere Klimaziele auch nur im Ansatz ernst nehmen wollen.

Die Agrarindustrie holzt Wälder in aller Welt ab, verseucht die Umwelt mit Pestiziden und verfüttert die Ernte dann zu großen Teilen an Tiere, die zu unserem Nutzen oft unter grausigen Bedingungen leben und sterben. Wir wissen das alle, aber schauen doch meist weg.

Diese Bequemlichkeit können wir uns mit Blick auf die Zukunft nicht mehr leisten. Deshalb ist es wichtig, dass wir zusammenkommen und gemeinsam, demokratisch entscheiden, wie wir es zukünftig anders machen können – im Sinne der Tiere, im Sinne der Umwelt, im Sinne unserer Gesundheit und einfach auch, weil wir eine wachsende Weltbevölkerung ernähren müssen.  Und deshalb ist eine entschlossene Trendwende hin zur ökologischen Land- und Viehwirtschaft so wichtig.

Wir wollen keine halben Sachen machen: Keine vermurksten Schulreformen mehr, wo jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. Kein halbherziges Teilhabegesetz, bei dem die meisten Betroffenen nur mit dem Kopf schütteln können. Wir wollen Utopien entwickeln: Wie sieht das Schulsystem der Zukunft aus und wie kommen wir dahin? Wie erreichen wir eine ganz und gar gleichberechtigte Gesellschaft, in der tatsächlich jeder Mensch gleichberechtigt teilhaben kann?

Ein neues Europa der Menschen

Weltoffen und europäisch heißt bei DiB: Wir sehen und verstehen Ängste und Sorgen der Menschen. Wir nehmen Sicherheitsbedenken ernst – aber sagen zugleich klipp und klar: Antworten darauf dürfen niemals etwas mit Nationalismus und Abschottung zu tun haben.

Wir wollen das Riesenprojekt EU nicht von den heutigen Regierungen vor die Wand fahren lassen, sondern sehnen uns nach einem neuen Europa der Menschen, demokratisch, solidarisch und für alle Zeit friedlich.

Freiheit in einer starken Gemeinschaft

Gerecht, das heißt bei DiB: Wir spielen die Menschen nicht gegeneinander aus. Wir wünschen uns Chancengerechtigkeit UND Verteilungsgerechtigkeit. Wir wollen den Spagat schaffen zwischen der Selbstentfaltung Einzelner und der Solidarität in der Gemeinschaft. Es ist toll, Freiheit zu genießen innerhalb einer starken Gemeinschaft – es ist nicht in Ordnung, Freiheit zu genießen auf Kosten der Gemeinschaft!

Deshalb wollen wir eine solidarische Krankenversicherung, in die alle einzahlen.

Deshalb wollen wir eine gesetzliche Rentenversicherung, in die alle einzahlen.

Wir wollen Armut entschlossen anpacken – Kinderarmut und Altersarmut sind ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie unseres. Wir müssen Alleinerziehende unterstützen, müssen die Armutsfalle Hartz IV abschaffen und müssen uns stark machen für ganz neue Lösungen, für Gerechtigkeit im digitalen Zeitalter – z.B. durch ein Grundeinkommen.

Nicht nur neu denken, auch gerecht

Und jetzt kommt das Wichtigste: Denn wenn es uns nur um einzelne dieser Themen ginge, könnten wir uns vielleicht auch bei einer der großen Parteien engagieren. Wir könnten uns bei der SPD dafür stark machen, dass nicht nur im Wahlkampf Zeit für mehr Gerechtigkeit ist. Wir könnten bei den Grünen zeigen, dass nicht nur in der Opposition Zukunft aus Mut gemacht wird, sondern auch wenn man regiert. Und wir könnten der FDP helfen, Gesellschaft nicht nur neu zu denken, sondern auch gerecht.

Und doch haben wir uns entschieden, uns hier bei DiB zu engagieren. Denn wir wissen, dass echte Mitbestimmung in der Politik heute viel zu kurz kommt. Wir sehen, dass die großen Parteien unsere Demokratie zwar hochhalten, aber nicht so leben, wie es ihr gesetzlicher Auftrag wäre.

Wir erleben, wie über 5000 Lobbyisten in Berlin und über 200000 in Brüssel mehr Einfluss auf unsere Gesetze nehmen als uns lieb sein kann. Und wir glauben nicht, dass Parteien den Dieselskandal aufklären können, wenn sie wenige Monate vorher noch Spenden aus der Autoindustrie angenommen haben.

Politik, die machen wir alle gemeinsam

Deshalb ist DiB nichts weniger als ein demokratischer Neuanfang. Ein Aufbruch, den wir mit möglichst vielen Menschen gemeinsam gestalten wollen. Offen, ehrlich, transparent. Alle sollen mitdenken und mitentscheiden können.

Wir wollen eine neue Art der Partei schaffen, die wieder viele Menschen für das begeistert, was so wichtig ist. Denn der Eindruck „die Politik, das sind die da oben“, der ist schlecht für unsere Gesellschaft, der ist schlecht für den Zusammenhalt. Wir brauchen das Gefühl: „Politik, die machen wir alle gemeinsam.“

Das ist es, was wir bei DiB schaffen können. So können wir gemeinsam Politik anders machen.

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